Die Hoffnung 1

Gustav Klimt - "Die Hoffnung I" - 1903/04 - Öl auf Leinwand - 189,2 x 67 cm -National Gallery of Canada - Ottawa

Kompositionsskizze, Hoffnung I

Formenskizze, Hoffnung I

Rein zufällig habe ich doch glatt im zweiten Semester eine Hausarbeit zu "Die Hoffnung I" geschrieben.  Ganz klassisch mit Bildbeschreibung, Analyse, Interpretation und Bildgeschichte. Viel Spaß beim Lesen des Ausschnittes der Arbeit:

 

Bildbeschreibung

 

Die Hoffnung I zeigt eine lebensgroße, „hochschwangere vollkommen nackte (!) Frau“ im Profil, deren Blick aus dem Gemälde hinaus auf den Betrachter gerichtet ist. Die Arme hat sie oberhalb des Bauches gefaltet. Die Füße sind verdeckt und somit nicht zu sehen. Die dünnen Beine und die strenge Profilansicht betonen „den zum Äußersten gewölbten Bauch“1. Ihr rotes, lockiges Haar, in dem sie Blumen trägt, trägt sie offen. Der rote Farbton der Haare findet sich in der Brustwarze und in der Scham der Schwangeren wieder.

Die Aktfigur bildet, zusammen mit dem hellen Schädel direkt über ihrem Kopf, den hellsten Punkt im Gemälde und hebt sich daher deutlich von dem überwiegend dunklen Hintergrund ab.
Den oberen Teil des Gemäldes bildet der oben bereits beschriebene Schädel sowie drei etwas dunklere Gesichter, die zu Fratzen verzerrt sind. Ihre Körper sind nicht zu sehen.

Hinter der Schwangeren verläuft senkrecht ein dunkelblaues Band mit hellen Punkten und dreieckigen helleren Flächen. Dieses Band mündet in ein zweites rötliches Band, welches zunächst aus dem linken Bildrand auf Höhe des Bauches der Frau senkrecht nach unten verläuft und schließlich am Bildboden waagerecht das Bild auf der rechten Seite wieder verlässt.

Hinter dem Rücken der Frau sieht man zwei gelbliche Kugeln, die miteinander verbunden sind. Der Rest des Hintergrunds ist schwarz mit einigen weißen Punkten.

 

 

Natter, Tobias (Hg.): Gustav Klimt, Sämtliche Werke, o.O. 2012. S. 594 

 

Analyse und Interpretation

Die Hoffnung I, 1903/1904
von
Gustav Klimt
Öl auf Leinwand, 189,2 x 67 cm
Ottawa, National Gallery of Canada, Inv. 16579

1909 erstmals auf der Internationalen Kunstschau in Wien ausgestellt

Das Gemälde ist in der Mittelsenkrechten zweigeteilt. Die rechte Seite wird durch das Profil der lebensgroßen Schwangeren gefüllt. Trotz ihrer seitlichen Positionierung im Bild bildet sie den Mittelpunkt des Gemäldes. Besonders auffällig ist der Bauch der Schwangeren. Dieser liegt ungefähr in der Mittelwaagerechten und wird durch die diagonalen Linien, die sich im Hintergrund finden und die er selbst bildet, und durch die waagerechte Linie, die der angewinkelte Arm der Frau bildet, betont.

Der Hintergrund ist vorwiegend durchzogen von senkrechten Linien, geschuldet durch die senkrecht verlaufenden Farbverläufe.
Zwei waagerechte Linien durchziehen das Bild im unteren und oberen Bereich. Unten wird das Bild durch eine dunkle Fläche abgeschlossen. Oben wird die Waagerechte durch die Blumen im Haar der Frau gebildet und im Hintergrund durch weiße Punkte auf schwarz fortgeführt. Oberhalb dieser Waagerechten befinden sich die vier „Fratzen“
2, die ebenfalls durchzogen sind von waagerechten Linien.3

Im Gemälde dominieren vor allem runde Formen. Sie finden sich im Körper der Frau und in den geschwungenen Linien im Hintergrund wieder. Auffällig eckig und kantig sind im Vergleich dazu die Gesichter im Hintergrund.4
Die Schwangere „dominiert [...] im hellsten Licht“5 über dem dunklen Hintergrund, welcher eher vorwiegend in schwarz und in dunklen Rot-, Blau- und Gelbtönen gehalten ist. Diese kalten Farben unterstreichen die makabere Stimmung im Bild.13 Der Maler verwendet für sein Gemälde, neben schwarz und weiß, hauptsächlich Primärfarben, welche sich an anderen Stellen im Bild wiederfinden lassen. So findet sich beispielsweise das Rot der Haare der Schwangeren in ihren Brustwarzen und ihrer Scham wieder.

Während der Körper der Frau und der Schädel über ihrem Kopf plastisch und anatomisch detailliert richtig abgebildet sind6, ist der Hintergrund durchzogen von Linien, welche nur schwer einen Rückschluss auf Tiefe, Raum bzw. Stofflichkeit zulassen. Die drei anderen Gesichter im oberen Teil des Bildes wirken verzerrt und auch von ihrer Farbgebung nicht biologisch richtig.

In Die Hoffnung I finden sich viele Symbole, welche auf eine „Verbindung von Leben und Tod“7 schließen lassen. Die schwangere Frau symbolisiert im Gemälde das Leben, bzw. das neue Leben.8 Dieses neue Leben wird durch die Figuren im Hintergrund, nämlich die Gesichter, den Schädel und den schwarzen Hintergrund, welcher an ein Monster erinnern lässt, bedroht. Susanna Partsch deutet diesen Umstand wie folgt:

 

Hinter der Hauptfigur deutet ein schmales blaues Band mit goldenen Punkten die Hoffnung an, die mit der Geburt eines Kindes verbunden ist. Dahinter jedoch lauern die verschiedenen Aspekte der Gefahr. Sie sind personalisiert in einem Monster [...], durch Krankheit und Tod [...] und durch zwei weitere bedrohliche Gesichter, deren genaue Bedeutung unklar ist, die aber mit Sicherheit auf Versuchungen oder Bedrohungen verweisen, denen der neue Mensch ausgesetzt sein wird.9

 

Tobias G. Natter deutet diese als Personifikation von „Tod, Krankheit, Alter und Irrsinn“10. Zusätzlich ist das Haar der Schwangeren mit Blumen geschmückt und über ihrem Kopf befindet sich ein Totenschädel, welche immer als Vanitas-Symbole der Vergänglichkeit gedeutet werden.11

Die Schwangere richtet ihren „fragend - auffordernde[n] Blick“12 mit den weit geöffneten Augen dem Betrachter, nicht etwa dem Unheil, zu, welches auf der anderen Seite lauert. Dies und ihr leuchtend rotes Haar lassen mehr an eine Femme fatale denken, als an „eine zu schützende Frau“13. Somit symbolisiert die Frau in diesem Fall „Lüsternheit und Mutterschaft“14 gleichzeitig. Es zeigt sich „die aktive Lust, deren Produkt die Schwangerschaft ist.“15
Hans Hofstätter fasst den Eindruck des Gemäldes wie folgt zusammen:

 

„Die Angst mit der alles Leben von Anfang an behaftet ist, hat Gustav Klimt in einem Bild der Hoffnung [...] versinnbildlicht: einem nackten, hochschwangeren Mädchen, das schicksalsvertrauend seine Frucht austrägt, auf deren Erscheinen in dieser Welt bereits die Dämonen, Schmarotzer und schließlich der Tod warten. Der sich dem Betrachter aufdrängende Gedanke der Hoffnungslosigkeit aber wird entwaffnet durch den Ausdruck des Weibes, das mit selbstverständlicher Ergebenheit jenseits aller Zweifel zu stehen scheint.“16

 

Natter, 2012, S. 511 

3  Vgl. hierzu: Kompositionsskizze Die Hoffnung I

4  Vgl. hierzu: Formenskizze Die Hoffnung I

5 Gabelmann, Andreas: Gustav Klimt und das ewig Weibliche, o.O. 2011. S. 57 13 Vgl. http://yourartshop-    noldenh.com/gustav-klimt-frauenportraits/ (04.05.2015)

6  Dieser Umstand wird durch die Maße des Bildes verstärkt, da die Frau nahezu lebensgroß abgebildet ist. 

Gabelmann, 2011, S. 57 

8  Vgl. Bisanz-Prakken, Marian: Die Hoffnung I und II, in: Albertina (Hg.): Gustav Klimt, die Zeichnungen, Wien 2012. S. 156 

Partsch, Susanna: Klimt; Leben und Werk, München 1990, S. 256f.

10  Natter, 2012, S. 595 

11  Vgl. http://www.kunstdirekt.net/Symbole/symbolvanitassymbole.htm (03.05.2015) 

12  Partsch, 1990, S. 256

13  Partsch, 1990, S. 256

14  Partsch, 1990, S. 258

15  Partsch, 1990, S. 263

16  Hofstätter, Hans Hellmut: Symbolismus und die Kunst der Jahrhundertwende, Köln 1975. S. 216f.


Bildgeschichte

Zur Entstehungsgeschichte von Die Hoffnung I kursieren zwei Geschichten. Die Bildidee entstand vermutlich während der Schwangerschaft Maria (Mizzi) Zimmermanns, seines Modells, die ihm 1902 seinen zweiten Sohn geboren hat. Dieser verstarb jedoch bereits im Folgejahr.17 Auf dieses Ereignis lässt sich der „dreifache Wechsel im Hintergrund“18 zurückführen. Ein Augenzeuge berichtet im November 1903 darüber wie folgt:

Ursprünglich stellte er [der Hintergrund] eine Landschaft vor, jetzt zeigt er eine gemusterten Teppich; daraus sollen nun charakteristisch Köpfe werden, die den Gedankeninhalt verdeutlichen. (Koppel 1903)19

Durch Berichte von Zeitzeugen ist eine zweite Entstehungsgeschichte von Die Hoffnung I überliefert: Als Herma, ein von Klimt besonders geschätztes Modell, längere Zeit nicht mehr im Atelier erscheint, lässt Klimt sie rufen und erfährt, dass das Mädchen schwanger sei und sich deshalb schäme. Er lässt das hochschwangere Mädchen trotzdem kommen und Modell für das Bild stehen. Die Öffentlichkeit sei über diese Tatsache schockiert und entsetzt gewesen.20 Somit veranschaulicht das Bild „ das Dilemma bürgerlicher Moralvorstellungen und das Konfliktpotenzial zwischen den Geschlechtern in der Zeit um 1900.“21 Die Entrüstung der Öffentlichkeit über die Tatsache, dass Klimt es wagt, eine schwangere Frau zu malen und auszustellen22 wird vor dem historischen Hintergrund, dass es bis vor etwa 40 Jahren „Usus war, den Zustand der Schwangerschaft möglichst zu verschleiern“23 verständlich. Hinzu kommt die Irritation der Männerwelt über „das hohe Maß an Selbstsicherheit [der Frau], die unverhohlen aus der Darstellung spricht.“24 Dieses „neue Selbstverständnis der Frau, die sich ihrer Körperlichkeit und ihres Lustempfindens bewusst ist und dies auch zeigt, bringt das Weltbild der patriarchalisch organisierten Gesellschaft ins Wanken.“25

Aus den fast sechzig Vorstudien Klimts im Zusammenhang mit der Hoffnung I ist zu vermuten, dass er plante der Schwangeren einen Mann zur Seite zu stellen, der seinen Arm schützend um die Frau legt. Dies ist aus etwa der Hälfte der Vorstudien ersichtlich.26 Er verwirft diesen Gedanken an die „traditionelle Rolle des Mannes als Oberhaupt und Beschützer der Familie“27 zugunsten von „Tod, Krankheit, Alter und Irrsinn“28, die er der Schwangeren an die Seite stellt.

Klimt antwortet dem Zeitalter des Rationalismus, der Urbanisierung und Industrialisierung, der Technikbegeisterung und Fortschrittseuphorie mit symbolschweren Gedankenmalerei mit einer künstlichen Gegenwelt. Vielfach beschwört er in seinen Werken Fantasiebilder des Weiblichen, die zugleich die männliche Wunschvorstellung der vollkommenen Frau projizieren.29 Seine „opulent inszenierte[n], gewagte[n] und oftmals unverblümt freizügige[n] Darstellungen“30 stoßen auf unterschiedliche Reaktionen. Auf der einen Seite werden sie bewundert und begeistert gekauft. Auf der anderen Seite entfachen sie heftige Debatten und stoßen auf große Ablehnung.31 So auch Die Hoffnung I.
Noch vor 1905 wird das Bild von Fritz Waerndorfer gekauft und in dessen Villa nur für ausgewählte Gäste zugänglich gemacht.32 Ludwig Hevesi, einer dieser Gäste, macht seine Ergriffenheit über das Bild öffentlich:

Wir saßen an jenem Abend lange beisammen und beschauten die herben Kunstwerke , die Herr Wärndorfer [!] sammelt. Über einem großen Bilde sind zwei Türflügel hermetisch geschlossen, um jedes profane Auge abzuhalten. Das Bild ist die berühmte, sagen wir berüchtigte Hoffnung von Klimt. Nämlich jenes junge Weib in hoch interessanten

Umständen, das der Künstler hüllenlos zu malen wagte. (Hevesi 26.11.1905)33

Öffentlich ausgestellt wird Die Hoffnung I erst 1909 auf der Internationalen Kunstschau in Wien.34 Dort löste das Bild viele unterschiedliche Reaktionen hervor. So sahen die Klimt - Sympathisanten darin einen innig empfundenen Ausdruck reinster Mütterlichkeit35, während andere sich mit der „Ambivalenz von Schönheit und Hässlichkeit im Angesicht des werdenden Lebens“36 befassten. Klimt wird „bewusste Provokation“37 unterstellt.

 

17  Vgl. Gabelmann, 2011, S. 57 

18  Natter, 2012, S. 594 

19  Natter, 2012, S. 594

20 Vgl. Gabelmann, 2012, S. 57f. 

21 Gabelmann, 2012, S. 58
22
Gabelmann, 2012, S. 58
23
Partsch, 1990, S. 255

24 Gabelmann, 2011 S. 58
25
Gabelmann, 2011 S. 58
26 Vgl. Vogel, Annette: Das spannungsreiche Verhältnis von Zeichnungen und Gemälden im Werk von
Gustav Klimt, in: Vogel, Annette (Hg.): Gustav Klimt, Beethovenfries Zeichnungen. o.O 2010. S.22
27 Vgl.
Natter, 2012, S. 594f. 

28 Natter, 2012, S. 595
29 Vgl.
Gabelmann,2011, S. 59 

30 Gabelmann,2011, S. 60

31  Vgl. Gabelmann,2011, S. 60 

32  Vgl. Natter, 2012, S. 594 

33  Natter, 2012, S. 594 

34  Vgl. Natter, 2012 S. 511
Wobei Klimt Die Hoffnung I bereits in seiner Kollektivausstellung in der Secssion 1093/04 ausstellen wollte. Dies scheiterte jedoch an der informellen Bitte des Kulturministers, es nicht auszustellen. Vgl. hierzu Natter, 2012, S. 594 

35  Vgl. Natter, 2012, S. 595 

36  Natter, 2012, S. 595 

37  Natter, 2012, S. 595 


Eine kurze Info zu Gustav Klimt findest du unter Künstler

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