Körper und Kunst die Zweite

Hello again! Ihr merkt, ich bin fleißig. Die Zeit fängt nämlich langsam an knapp zu werden bis zu meinem Prüfungstermin und ich habe noch so viel vor... Aber Schritt für Schritt ans Ziel. Nachdem ich euch in meinem letzten Beitrag von der Ausgangssituation erzählt habe, möchte ich heute schon etwas mehr in die Tiefe gehen. Thema: Körper und Kunst in der Theorie und Kunstgeschichte! Das besondere Augenmerk liegt hier bei der Darstellung der Frau - bezogen auf mein Seminar der Darstellungsmuster von Frauen. 

In fast allen Kulturen wird der menschliche Körper als kosmisches Modell oder sogar als das Ebenbild Gottes gesehen. (In der Bibel heißt es: "Und Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde" (Mose 1;27)) Aus der Wechselbeziehung von Mensch und Welt entwickelte sich im Laufe der Zeit eine komplexe Symbolik und metaphernreiche Sprache, die sich vor allem auf die einzelnen Körperteile und dessen Funktion bezieht. So sagt man sprichwörtlich, dass einem etwas am Herzen liegt, einem etwas auf die Niere schlägt, oder etwas auf der Hand liegt... (Zur Hand in einem späteren Beitrag mehr)

Obwohl der menschliche Körper als solcher sich im Laufe der Zeit nicht wirklich verändert hat, so hat sich aber doch die Betrachtung und Darstellung dessen in der Kunst in den verschiedenen Epochen geändert. Ist es nun Narzissmus, der den Menschen dazu treibt sich in allen Stadien des Lebens darzustellen? Sind somit auch Selfies Produkt bloßen Narzissmus? Kyle Chayka, Kurator der Nationals #Selfie Portrait Gallery, beantwortet diese Frage wie folgt: "(Selfie) is less about narcissism - narcissism is so lonely! - and it's more about being your own digital avatar. (...) Smartphone selfies come out of the Same Impulse as Rembrandt's ... to make yourself Look awsome."

Albrecht Dürer - "Selbstbildnis mit Landschaft" - 1497 - Öl auf Leinwand - 52 x 41 cm - Museo del Prado - Madrid

Ich habe mal Dürer als Beispielbild genommen, statt Rembrandt, um euch meine Version dieses Selbstbildnisses zu zeigen. 

Irgendwie Widersprüchlich! Das Bildlexikon für Kunst (Band 12 - Der menschliche Körper, Anatomie und Symbolik) hält fest, dass es sich bei der Fülle der Darstellung des Menschen in der Kunst um dessen "ureigenen, tiefgreifenden Narzissmus" handelt, aber auch zeigt, wie der Mensch sich in allen Phasen seines Lebens erlebt. 

Besonders Frauen sind ein beliebtes Motiv der Künstler aller Zeiten und Epochen. Aber wie kommt das? Die Antwort ist einfach und doch erst auf den zweiten Blick offensichtlich. Reisen wir einmal zurück in der Zeit zu dem Zeitalter als die Frau die Mutter, Ehefrau und Hausfrau und der Mann der Verdiener war. Dementsprechend gab es also so gut wie keine weiblichen Künstlerinnen bzw. Malerinnen. Genau wie es umgekehrt nicht die Frau war, die Bilder bei einem Maler in Auftrag gab, sondern ein Mann. (Zumindest was die euro-  


päische Tradition der Malerei angeht.) Die Anziehungskraft der Frau auf den Mann, sei er nun der Schöpfer des Werkes oder der Auftraggeber, wird in vor allem Nudes deutlich. Aber reicht es zu sagen, dass es sich hierbei um bloße Begierde handelt? Geht es nicht vielmehr um den Blick, den der Mann auf die Frau hat? In "Ways Of Seeing" schreibt John Berger: "An image becomes a record how X had seen Y." In diesem Fall hält ein Gemälde den Blick des männlichen Malers auf sein weibliches Objekt fest. Gefiltert durch die Darstellungsweise des Künstlers sieht der Betrachter die Frau. Obwohl die Frau die dargestellte Person ist, ist der Protagonist doch jemand anderes. Ihr ahnt es vielleicht schon: natürlich ist es der Betrachter, von dem ausgegangen wird, dass er - was sonst -  ein Mann ist. Trotzdem ist er außen vor, da die gemalte Frau im Bild mit ihrem Maler unwiderruflich verbunden ist, da es sein gefilterter Blick ist mit dem der Betrachter die gemalte Frau ansieht. Nichts desto trotz posiert die Frau, um seine Sexualität anzusprechen, aber auch, um ihm ein Gefühl von Macht zu geben und ihn daran zu erinnern was er ist: ein Mann.  James Brown hatte gar nicht so Unrecht als er sang: "This is a man's world".     

Aber welche Rolle spielt die Frau dabei? Ist sie bloßes Opfer der Begierde und des Blickes des Mannes? Die Antwort ist ein Jein. Frauen werden von frühster Kindheit an dazu erzogen sich selbst im Blick zu behalten. Sowohl was das Äußere angeht als auch ihr Verhalten. Um es in Bergers Worten auszudrücken:

"She has to survey everything she is and everything she does because how she appears to others, and ultimately how she appears to men, is of crucial importance for what is normally thought of as the success of her life. Her own sense of being in herself is supplanted by a sense of being appreciated as herself by another.

Men survey woman before treating them. Consequently how a woman appears to a man can determine how she will be treated."

Also ist das Auftreten der Frau entscheidend dafür, wie sie von einem Mann behandelt wird. In einer Man's World gar nicht so unentscheidend...

Diego Velázquez 064

Diego Rodríguez de Silva y Velázquez - "Venus mit Spiegel (Rokeby Venus)" - 1644-48 - Öl auf Leinwand - 122,5 x 177 cm - National Gallery London


Wahrscheinlich denkt ihr jetzt, dass es mal so war, aber heute ist natürlich alles anders. Das habe ich auch zunächst gedacht. 2017 ist eine Welt der emanzipierten Frauen, die nicht dazu erzogen werden einem Mann zu gefallen... Auch hierzu wird es noch einen Beitrag geben. Lasst mich euch zunächst folgendes Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung geben: Als meine Mutter sah, dass ich Bier aus Flaschen trinke, sagte sie mir ich solle das lassen. Auf meine Frage wieso antwortete sie, man tue dies nicht als Mädchen. Ihr merkt als Mädchen! Für Jungs gelten diese "Regeln" scheinbar nicht. Aber wieso? Wieso ist es als Mädchen nicht ok, aus einer Flasche zu trinken. Diese Antwort ist meine Mutter mir schuldig geblieben (...oder ich erinnere mich nicht mehr daran). Meine eigene Erklärung dafür: Es ist unästhetisch und passt nicht in das Bild eines wohlerzogenen Mädchens. Ganz zuschweißen davon, dass Bier ein Männergetränk ist. Aus der Reihe zu tanzen, indem man die gängigen Tischmanieren und Regeln über den Haufen wirft, ist dem männlichen Geschlecht scheinbar vorbehalten. 

Zurück zu Berger. Er betont, wer sieht, ist sich auch bewusst, dass er gesehen wird. Demzufolge ist festzuhalten, dass es der Mann ist, der agiert und die Frau ist, die erscheint. Der Mann erblickt die Frau. Die Frau beobachtet, wie sie betrachtet wird. Auf die darstellende Kunst übertragen bedeutet dies für das Modell, dass es selbst als ein anderer auftritt. Vielleicht kennt ihr das selbst, wenn ihr fotografiert werden sollt, verhaltet ihr euch in der Regel anders, als wäre keine Kamera da, die euch beobachtet. 

Die Frage ist, was bedeutet das alles und vor allem was heißt das für unsere heutige Zeit und die Kunst? Heute ist die Rolle der Frau nicht nur auf Mutterschaft und das Dasein als Hausfrau beschränkt und übertragen auf die Kunst gibt es unzählige weibliche Künstlerinnen neben ihren männlichen Kollegen. Trotzdem war es in der Tradition der europäischen Nudes so, dass sowohl Maler als auch Betrachter männlich waren und ein weibliches Objekt schufen/ ansahen. Dieses Ungleichgewicht mit allem was es mit sich trägt hat sich so tief in unsere europäische Kultur eingeprägt, dass es heute noch das Bewusstsein vieler Frauen beeinflusst. Obwohl es keine Nudes heute mehr gibt treffen wir in allen Medien, seien es Werbung oder Musikvideos, immer wieder auf die Devise Sex sells. Sind das nicht die Nudes der heutigen Zeit?


Eine kurze Info zu den genannten Künstlern Dürer und Velásquez findet sich wie immer unter Künstler.

Die genauen Literaturangaben zu John Berger und dem Bildlexikon Herausgegeben durch Stefano Zuffi findet sich hier.

Das Zitat von Kyle Chayka stammt aus diesem Text.

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